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Beate Kallweit

Turboprämie: Keine Abfindung bei Kündigungsschutzklage


Arbeitgeber gehen bei betriebsbedingten Massenentlassungen zunehmend dazu über, dass sie den Arbeitnehmern zusätzlich zu der Sozialplanabfindung eine Abfindung bei Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage anbieten.
Damit versuchen die Arbeitgeber, ihr Prozessrisiko für die Vielzahl zu erwartender arbeitsgerichtlicher Prozesse zu minimieren.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in jüngerer Zeit mehrfach mit der Zulässigkeit solcher sogenannter "Turboprämien" auseinandergesetzt.
Grundsätzlich darf über die sogenannte Turboprämie nicht das Verbot umgangen werden, dass Sozialplanleistungen gerade nicht von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürfen.
Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes sollen die Betriebsparteien jedoch nicht gehindert sein, bei einer Betriebsänderung im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit zusätzlich zu einem Sozialplan z. B. in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Leistungen für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage Abstand nimmt. Das Verbot, Sozialplanleistungen von einem entsprechenden Verzicht abhängig zu machen, darf dadurch jedoch nicht umgangen werden. (BAG, 31.05.2005, 1 AZR 254/04)

In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht weiterhin ausgeführt, dass der Arbeitgeber nicht über die "Turboprämie" eigentlich für den Sozialplan zur Verfügung stehende Finanzmittel einsetzen und damit in seinem Bereinigungsinteresse dem Sozialplan vorenthalten darf.
In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer trotz Erhebung der Kündigungsschutzklage, die Turboprämie verlangen, weil sich der Arbeitgeber unrechtmäßig verhält.
In weiteren jüngeren Entscheidungen hat sich das Bundesarbeitsgericht ebenfalls zur Zulässigkeit einer Prämie, die in einem Sozialplan-Tarifvertrag vereinbart wurde, auseinandergesetzt.
Auch diese formelle Möglichkeit im Tarifvertrag statt einer Betriebsvereinbarung eine "Turboprämie" zu Gunsten der Arbeitnehmer, die keine Kündigungsschutzklage erheben, vorzusehen, ist rechtlich möglich. (BAG, 06.12.2006, 4 AZR 798/05)

Entscheidend für die Wirksamkeit einer zulässig vereinbarten "Turboprämie" ist jedoch, dass für den Arbeitnehmer eindeutig erkennbar ist, dass die Abfindung nur gezahlt wird, wenn er keine Kündigungsschutzklage erhebt. (BAG, 03.05.2006, 4 AZR 189/05)

Noch nicht eindeutig geklärt ist, ob für den Arbeitnehmer, der sich unter Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage die Turboprämie sichert, sozialversicherungsrechtliche Nachteile drohen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes aus dem Jahre 2003 sollte es zu einer Sperrzeit für den Arbeitnehmer führen, wenn der Arbeitnehmer durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber innerhalb der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen Zusage einer Vergünstigung auf die Ausübung seines Klagerechtes verzichtet. (BSG 18.12.2003, B 11 AL 35/00 R)

Möglicherweise ist hier jedoch eine Rechtsprechungsänderung abzusehen.
In einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 12.07.2006 soll dann nicht von einem Sperrzeittatbestand ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass ihm anstelle des Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung ansonsten eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung aus nichtverhaltensbedingten Gründen gedroht hätte. (BSG vom 12.07.2006, B 11 a AL 740/05)
In dieser Entscheidung erwägt der Senat für Streitfälle ab dem 01.01.2004 unter Heranziehung des Grundsatzes des § 1 a KSchG auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtsmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung zu verzichten, wenn die Abfindungshöhe die in § 1 a Abs. 2 KSchG vorgesehene (halbes Gehalt pro Beschäftigungsjahr) nicht überschreitet.

Die Rechtsprechung hierzu bleibt jedoch noch abzuwarten. Die Arbeitnehmer müssen sich daher über sozialversicherungsrechtliche Nachteile bei Inanspruchnahme einer Turboprämie im Einzelfalle informieren.

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